Die Rückfallprophylaxe bezeichnet die Gesamtheit aller Strategien, Maßnahmen und Techniken, die darauf abzielen, einen Rückfall in ein überwunden geglaubtes problematisches Verhalten oder einen Rückfall in eine symptomatische Phase einer Erkrankung nach einer Zeit der Besserung, Stabilisierung oder Abstinenz zu verhindern. Der Begriff wird vor allem in der Suchttherapie (bei Alkohol-, Drogen- oder Verhaltenssüchten) und in der Psychotherapie/Psychiatrie (bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Psychosen) verwendet.
Ziele:
- Hauptziel ist die Aufrechterhaltung der Abstinenz (bei Suchterkrankungen) bzw. der Remission oder Symptomstabilität (bei psychischen Erkrankungen).
- Betroffene sollen lernen, Risikosituationen frühzeitig zu erkennen und wirksame Bewältigungsstrategien anzuwenden, um einen Rückfall zu vermeiden.
- Es geht darum, die erreichten Therapieerfolge langfristig zu sichern und die Lebensqualität zu verbessern.
Kernkomponenten der Rückfallprophylaxe:
Die Rückfallprophylaxe ist ein aktiver Prozess, der oft folgende Elemente umfasst:
- Identifikation von Risikosituationen: Erkennen von individuellen inneren (z.B. negative Gefühle, Stress, Langeweile, körperliches Unwohlsein) und äußeren Auslösern (z.B. bestimmte Orte, Personen, Ereignisse, Verfügbarkeit von Suchtmitteln), die einen Rückfall begünstigen könnten.
- Entwicklung von Bewältigungsstrategien (Coping Skills): Erlernen und Einüben konkreter Fertigkeiten zum Umgang mit Risikosituationen und Suchtdruck (Craving) bzw. Frühwarnzeichen einer Symptomverschlechterung. Beispiele sind Stressbewältigungstechniken, Problemlösestrategien, soziale Kompetenzen (z.B. Nein-Sagen), Ablenkungsstrategien und Techniken zur Emotionsregulation.
- Kognitive Umstrukturierung: Bearbeitung und Veränderung von rückfallfördernden Gedankenmustern, Einstellungen und Erwartungen (z.B. Verharmlosung, Kontrollillusionen, katastrophisierende Gedanken).
- Veränderung des Lebensstils: Aufbau eines unterstützenden sozialen Umfelds, Etablierung einer sinnvollen Tagesstruktur, Integration gesunder Gewohnheiten (Bewegung, Ernährung, Schlaf), Aufnahme von Hobbys und Freizeitaktivitäten, die mit dem alten problematischen Verhalten unvereinbar sind.
- Notfallplanung: Erstellung eines konkreten Plans für den Fall, dass es trotz aller Bemühungen zu einem „Ausrutscher“ (einmaliger Konsum/Symptom) oder einem beginnenden Rückfall kommt, um schnell gegensteuern zu können.
- Nutzung von Unterstützungssystemen: Regelmäßige Inanspruchnahme professioneller Hilfe (Therapie, Beratung), Teilnahme an Selbsthilfegruppen (z.B. Anonyme Alkoholiker, Narcotics Anonymous) und Einbindung von unterstützenden Freunden oder Familienmitgliedern.
- Medikamentöse Unterstützung: Gegebenenfalls Einnahme von Medikamenten, die das Rückfallrisiko senken (z.B. Anti-Craving-Substanzen) oder Begleiterkrankungen behandeln.
Bedeutung:
Rückfälle sind bei Suchterkrankungen und vielen chronischen psychischen Erkrankungen keine Seltenheit und werden oft als Teil des Genesungsprozesses betrachtet. Eine strukturierte Rückfallprophylaxe ist daher ein zentraler und unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen Langzeitbehandlung und trägt maßgeblich dazu bei, die Prognose der Betroffenen zu verbessern. Sie ist in vielen Therapieansätzen, insbesondere der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), fest verankert.